Die Templer, der Gral und der Mann mit der eisernen Maske Der Zeigefinger des Täufers von Sabina Marineo
Es scheint, als habe Sabina Marineo, der wir die durchaus anregende Studie "Die Templer, der Gral und der Mann mit der eisernen Maske" verdanken -, als habe diese findige Gralssucherin sich auf den Pfaden bewegt, die kein Sünder findet. Damals waren es zwei Grale, die sie suchte: auf den Spuren Johannes des Täufers und Jesus. Heute besucht sie nordspanische Templerkirchen, um, wiederum mit allzu scharfsinnigen Kombinationskünsten, vor denen Legende und Wirklichkeit verschwimmen, strikt zu folgern: "Flegetanis ist Hermes Trismegistos, er hat die hermetischen Bücher verfasst und ist der Schöpfer - oder Vermittler – des Grals." (…)
Ja, was denn nun? So weit wollte nicht einmal Wolfram von Eschenbach, der zweifelsfreie Schöpfer des Flegetanis, gehen. Von hier geht’s flugs zu Parsifals Söhnchen Lohengrin, der wiederum verwandt ist mit Oldin – dem wagnerischen Wotan -, mit der Göttin Freya, auch mit den geflügelten Walküren. "Sind diese nordischen Götter die Vorfahren von Lohengrin?" Dass der "Ring der Nibelungen" scheinbar folgerichtig in den "Parsifal" mündet, weiß man schließlich nicht erst seit dem "Götterdämmerungs"-Finale, wie es sich in der Inszenierung Jürgen Flimms 2000 auf der Bühne der Bayreuther Festspiele darstellte – danach glücklicherweise nicht mehr, denn Parsifal ist nicht Siegfried und der Gral nicht der Schatz der Nibelungen. Zumindest hat noch niemand ernsthaft den Gral auf dem Grund des Rheins gesucht, aber was nicht ist, kann ja noch werden…
Zurück zu Marineos Spurenkombination: auch für Opernfreunde ist die Studie interessant, da der Blick, in guter anthropologischer Gralstradition, auch nach Osten gerichtet wird – etwa zu Zoroaster, der kein anderer als Herr Sarasto, und was das Initiationsdrama "Die Zauberflöte" mit "Parsifal" zu tun hat, ist offensichtlich.
Apropos Initiation: die Rituale des Templerordens sind ja seit den sonderbaren Inquisitionsprotokollen einschlägig verdächtig. Sind sie gefälscht oder echt? Wer weiß das schon? Und waren die Templer in Rennes-le-Chateau, dem südfranzösischen Nest das unweigerlich auftaucht, wenn es um "Das Geheimnis des Grals" geht? Und will man zum wiederholten Mal die obskure Geschichte des obskuren Landpfarrers Berengier de Sauniere hören? Erstaunlich: Man will – denn diese Art der Gralssuche hält sich nicht am Hergebrachten fest. Sie spekuliert, wie jeder gute Gralssucher, oft ins Abenteuerliche hinein, aber verglichen mit einem Erich von Däniken ist sie eine seriöse Historikerin – und eine Autorin, der man gern auf den ausgetretenen Gralswegen Frankreich und Spaniens folgt. So müssen wir uns denn, wenn alles, alles richtig sein sollte, auch Wagners Gralsburg als Ort der antichristlichen Ketzerei vorstellen, denn Wolfram hat, dieser These gemäß, mit seinen "templeisen" nichts anderes als die Templer gemeint. Mit dem orthodoxen Christentum hat Wagners "Parsifal", haben seine Gralsritter ja nun wirklich nichts zu tun; nicht nur das ins Perverse umgedrehte, falsch praktizierte Pseudo-Abendmahl .zeugt davon. (…)
"Festspielnachrichten", Bayreuth 2008, Parsifal, "Scharfsinnige Spurenkombination", von Frank Piontek
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