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Satans Handbuch
Schwarze Philosophien, teuflische Rituale, sowie Ratschläge und Tricks für den Alltag
von Oliver Fehn

Leseprobe: Aus dem Kapitel 7. Faulheit
„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hochkommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen“, übersetzte Luther (falsch!) den 10. Vers des 90. Psalms, denn keiner, der vierzehn bis sechzehn Stunden am Tag ackerte und den Rest der Zeit für seinen wohlverdienten Schlaf benötigte, geriet je in Versuchung, über Tagespolitik und Religion kritisch nachzudenken. Auch heute noch ist Arbeit nach volkstümlicher Bewertung nicht Mittel zum Geldverdienen, sondern vor allem Selbstzweck, und anstatt den Mann oder die Frau zu bewundern, die es geschafft haben, mit wenig Arbeitsaufwand ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, verunglimpft Otto Normalverbraucher sie als Müßiggänger und Faulpelze. Diese Haltung spiegelt sich – vor allem in ländlichen Gegenden – auch in den Todesanzeigen der Tageszeitung wider: „Müh und Arbeit war sein Leben, Ruhe hat ihm Gott gegeben.“ oder „Hast nur gedient, hast nie an dich gedacht – jetzt hat der Herrgott dir die Ruh' gebracht.“ Der Nachruf auf einen Brauereigaul könnte nicht treffender formuliert werden! Natürlich ist der sich aufopfernden Hausfrau oder dem tüchtigen Handwerker jede Menge Respekt zu zollen – warum aber die gleiche Person sofort verachten, wenn sie es vorzieht oder sich leisten kann, anders zu leben?
Faulheit darf nicht verwechselt werden mit Perspektivlosigkeit, die eine der großen satanischen Sünden ist. Der vor sich hin vegetierende planlose Mensch ist nicht faul im satanischen Sinne, sondern einfallslos, unglücklich und gelangweilt. Satanisten jedoch langweilen sich niemals – jedenfalls nicht mit sich allein. Unter anderen Menschen, vor allem bei „fröhlichen Zusammenkünften“, kann es schon einmal passieren – dann kratzt der Satanist geflissentlich die Kurve.
Auch hier – wie schon bei allen anderen „Todsünden“ – läuft die Anschauung der Kirche den Gesetzen des Überlebens zuwider. Zahlreiche Menschen sterben einfach an Überarbeitung (vor allem in Japan, ja, aber nicht selten auch hierzulande). Und vor allem in unseren Tagen ist es wieder groß in Mode gekommen, sich auch mit einer hochkarätigen Grippe ins Büro zu schleppen, denn – so lauten die wichtigsten Verse der modernen, noch ungeschriebenen Unternehmerbibel – „wir sind alle ein Team und der Markt ist hart.“ Zu deutsch: Wenn die Firma zugrunde geht, bist du jämmerlicher Drückeberger schuld an ihrem Untergang. Aber auch die Katze „arbeitet“, wenn sie auf Mäusefang geht, und sie kann dabei sehr ausdauernd sein. Wenig später jedoch liegt sie schnurrend und sich vor Faulheit wälzend in der Sonne – ganz ohne Schuldgefühle. Wie macht die Katze das nur?
Faulheit, die nicht zum Selbstzweck wird, sondern einfach nur üppige Erholungs-phasen ohne schlechtes Gewissen ermöglicht, dient der Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen und ist somit ein natürlicher Mechanismus zum Überleben.
Es gibt noch eine andere, eine satanische und höchst geheime Erklärung dafür, warum der Klerus Faulheit nicht tolerieren kann. Um sie zu begreifen, sollte jeder einmal folgendes Experiment durchführen:
Einfach einmal eine Nacht lang durchlesen oder durcharbeiten oder sich sonst wie die Zeit vertreiben. Nicht schlafen gehen! Erst wenn die Sonne aufgeht, zu Bett gehen – und dann den Tag durchschlafen, und zwar, bis es draußen bereits wieder dunkelt (wichtig!). Nach dem Erwachen nicht sofort aufstehen! Sich immer wieder auf die andere Seite wälzen und dabei stets aufs neue in jenen Dämmerzustand zwischen Schlaf und Halbwachsein zurücksinken. Gähnen und sich räkeln und sich einfach gehen lassen. Irgendwann geschehen faszinierende Dinge: Man fühlt sich wie abgehoben, hat wundervolle Traumbilder und gerät in eine Art überirdischen Rausch. Manche sprechen von Visionen. Es ist ein Gefühl der kosmischen Wohligkeit, der Verzückung. Ein Zustand, der „kickt“.
Nichts also für die Frommen, die sich ja bekanntlich auf eine einzige Art Verzückung beschränken müssen...


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