Über die Kunst, Abhängigkeiten zu erkennen und sich aus diesen zu befreien - oder - Briefe an Sophie von Frater Sursum ad lucem
Einleitung & bibliografische Entstehungsangabe
Mit den Briefen an Sophie beschreibe ich einige Leitgedanken, die wohl jedem im Laufe der Jahre beigebracht worden sind. Ob Kind, Heranwachsender oder mittragender Teil einer mehr oder weniger funktionierenden Gesellschaft - niemand konnte, an diesen Grundgedanken vorbeikommen. Sie wurden uns nachhaltig anerzogen!
Mag man den menschlichen Gesellschaftsformen auch ablehnend, verweigernd oder gar rebellisch gegenüber stehen - diese Grundgedanken werden dennoch bejaht. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, welchem Gesellschaftssystem der Vorzug gegeben wird. Sogar der Ablehnung desselben liegt ein Prinzip zu Grunde. Die Regeln sind vorgegeben! Auch wenn bewußt gegen geltende Regeln verstoßen wird, bleibt man im System verhaftet. So bestätigt jeder auf seine Art und Weise die bestehenden Verhältnisse.
Doch Gegebenheiten bestätigen, wo Veränderungen nötig sind, über Elend und Leid klagen ohne es zu beseitigen heißt schlichtweg, dass man das Leiden liebt und sich deswegen weigert, es aus seinem Leben zu verbannen. Es wäre denkbar, dass die Grundlage des Leidens verlustig ginge und stattdessen eitel Freude herrscht! Ein abwegiger und schrecklicher Gedanke?
Durch ein Buch tritt man dem Leser in einem Monolog gegenüber. Mit der Brief-Form steigere ich diese Einseitigkeit und treibe sie auf die Spitze.
Warum? - Weil sich der Leser so eher mit den beschriebenen Leitgedanken auseinander setzen muss, damit er übernommene Denkgewohnheiten, die darauf basieren, in Frage stellt.
Wie in allen Bereichen gibt es aber auch hier die Auswahlmöglichkeit das Geschriebene zu lesen oder nicht, die dargelegte Meinung zu schlucken oder nicht, sich mit ihr auseinander zu setzen oder nicht.
Wenn die Entscheidung für das Leben fällt, werden die gehegten Erwartungen nicht erfüllt werden, denn es ist nicht meine Absicht den Leser mit meinen Gedankengängen abzufüllen, auf dass er davon ausgefüllt sei und ihm kein Platz für eigene Überlegungen mehr bleibe.
Auch wird hier weder mit Wahrheiten gehandelt noch werden Rezepte oder Orientierungshilfen angeboten. Eine Empfehlung sei dennoch gegeben: Ich rate dem Leser alles - wirklich alles -, das von Menschen gelehrt, präziser ausgedrückt, andressiert worden ist, in Frage zu stellen! Jeder sollte über-prüfen, was von den Dingen, die ihm im Laufe der Jahre anerzogen worden sind, seiner Person oder nur einem funktionieren sollenden System nützen.
Es bleibt nichts übrig außer Ketten! Manche sind rostig, andere glänzen, einige sind aus Gold, ihrem Wesen nach Ketten, die uns ans Leiden binden, damit es bis zum sehnlichst erwarteten Ende erhalten bleibt. Im fremden Interesse, wohlgemerkt.
Wem der Leidensdruck zu schmerzhaft wird, dem stehen Betäubungen verschiedenster Art zur Verfügung. Am angebotenen Ersatz mangelt es nicht. Die Zahl der Betäubungen ist Legion, für jeden Problemfall findet sich et-was im Angebot. Es darf ausgewählt werden. Doch wenn lediglich zwischen unterschiedlichen Varianten des Übels gewählt werden kann - wo findet da eine Auswahl statt? Ob großes oder kleines Übel - das Übel bleibt.
In dieser Untergangsstimmung unserer Überzeugungen klingt eine Frage in unserem Bewußtsein an: Was ist das Leben?
Die Weltreligionen haben darauf eine verblüffende Antwort verkündet: Der Tod.
Mit dieser Aussage treiben sie das dem Menschen eigene Beendigungsstreben in eine Richtung. Ein Jenseits und das Leben dort wird als erstrebenswertes Ziel werbend verbreitet. Die unterschiedlichsten Priesterhierarchien bieten so in bunten Verpackungen Verheißungen feil. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten, die zwischen den verschiedenen Kirchen und Sekten bestehen, auf einen gemeinsamen, geheimen Drahtzieher, der für alle bindende Anweisungen herausgibt zu schließen, wäre paranoid.
Oft hört oder liest man, dass allen Religionssystemen ein gemeinsamer roter Faden zu eigen sei. Das ist nicht das Gängelband eines Gottes, sondern eher die gemeinsame Verheißung eines Todes, der ja die Tür zum Jenseits sein soll. Um dort hin zu gelangen soll auf Erden ein gottgewolltes Leben durchlitten werden, wird gepredigt. Sich fügen und bloß nichts verändern an den Bedingungen dieses Jammertals, es könnte sich vielleicht heraus stellen und als Wahrheit anerkannt werden, was der englische Physiker Stephen W. Hawking formulierte: "Man könnte einfach sagen: 'Die Grenzbedingung des Universums ist, dass es keine Grenze hat.' Das Uni-versum wäre völlig in sich abgeschlossen und keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen. Es wäre weder erschaffen, noch zerstörbar. Es würde einfach SEIN."
Seit einigen Jahren erkennt die Katholische Kirche die Hypothese vom Urknall an. Zugleich verlangt sie Gott als den Verursacher des Urknalls anzu-erkennen. Somit ist es für sie einfach die Frage zu beantworten, was denn davor war - Gott.
Hierbei wird deutlich, wozu es führt, wenn Fragen gestellt werden, die im Voraus auf ihre Beantwortung abzielen. Damit werden Grenzen gesetzt, die eine Suche beenden, bevor sie begonnen hat. Phlegma im Bunde mit dem Beendigungsstreben sind Mittel, die dazu beitragen sich vor einem mühevollen Suchen zu drücken. Das erleichtert es ungemein, übernommene Gewohnheiten pfleglich beizubehalten. Schließlich findet man schon einen Grund, der alles beim Alten belassen will, weil es ja immer so gemacht wurde. Es ist dann nicht der Mühe wert, es auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Also warum hinterfragen oder gar in Frage stellen, was schon immer so gemacht worden ist? Und was alle machen, muss halt so gemacht werden und wird schon richtig sein.
Neulich las ich auf einem Aufkleber eine zwingende Schlußfolgerung, welche die Anschauung "Es wurde doch schon immer so gemacht, deshalb mach ich's auch" ad absurdum führt. Es hieß dort: "Esst Scheiße - zwanzig Milliarden Fliegen können nicht irren!"
Es gibt keinen plausiblen Grund ungeprüft etwas zu tun, weil es andere auch machen oder gemacht haben.
Unser Bedürfnis nach Wohlempfinden wird vom Selbsterhaltungstrieb erregt, gleichzeitig wird auch das gegensätzliche Gefühl wach gerufen. Man kann es ruhig einen masochistischen Wesenszug nennen: Die Suche nach dem Leid. Daran knüpfen nun an: Seelsorger, Betriebspsychologen, Wer-beleute, Fabrikherren, Medien, Politiker, kurz: alle, die ein Interesse daran haben, dass alles so bleibt, wie es ist.
Doch auch sie leben ähnlich wie Gefängniswärter, von Mauern umgeben, die sie beschränken. Weil sie in ihrer Hackordnung andere unter sich haben, bemerken sie ihre Lage nicht.
Wenn nun mit den Gewohnheiten gebrochen wird, ist dies ungewohnt. Es mag sein, dass ungewohntes Handeln, weil es aus der Gewohnheit fällt, unverständlich erscheint. Doch soll uns dies nicht davon abhalten ungewohnte Wege ausfindig zu machen und zu gehen, auch wenn dieses Verhalten sich nicht an den anerzogenen Gewohnheiten orientiert.
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